Donnerstag, 9. April 2009
Reduktionismus, der greift / Genom, Zufall, Denkblasen
Besser ist der: Montaigne
Hübsche Häuschen gebaut: Guggenheim-Museum von Frank Lloyd Wright (gest. 9. April 1959)
Luhmann-Dialog AGGRESSION 4: Reduktionismus, der greift / Genom, Zufall, Denkblasen
PF:
'Was wir mit "Umwelt" meinen, der Anteil der nicht durch die Gene bedingten Varianz hat möglicherweise gar nichts mit der Umwelt zu tun. Wenn die nichtgenetische Varianz das Ergebnis zufälliger Ereignisse bei der Entwicklung des Gehirns sein sollte, wäre damit ein weiterer Teil unserer Persönlichkeit und unserer Intelligenz biologisch (wenn auch nicht genetisch) bedingt und damit selbst den besten Absichten der Eltern und der Gesellschaft entzogen. '
Ich glaube, wir kommen hier nicht zu einer Verständigung. Für mich sind neuronale Systeme, Körper etc. Umwelt von Sinnsystemen. Sozialisation ist für mich die soziale Interpretation von Hirnereignissen. Dabei komme ich nicht auf die Idee, daß die Infrastruktur psychischer Sinnsysteme keinen Einfluß hätte, so als ob es gleich wäre, was man da geerbt hat, aber: Sinnsysteme verdanken die Möglichkeit ihrer Sinnhaftigkeit der Sozialität. Ohne sie könnte niemand ein Verbrecher, Held oder sonst irgendetwas sein. Das Gehirn ist, wie ich gesagt habe, ziemlich 'doof'.
WD:
Das bringt die unterschiedlichen Perspektiven knapp, deutlich und gut zum Ausdruck. Die Dialektik von Neuron und Sinn gleicht ein wenig der von Henne und Ei im Streit um die Ursprünglichkeit. Das Gehirn ist vielleicht nicht gerade ziemlich 'doof', bewältigt es doch eine systemische Komplexität, die die der primitiven Sinnsysteme der Gesellschaft bei weitem übersteigt, und es kann ganz gut Theorien erzeugen und unterscheiden. Die ihm inhärenten Verhaltens- und Denkfiguren sind sogar erst die Plattform für kulturelle, variantenreiche Sinnkreationen. Letztere sind Moden und lassen sich mit der Theorie Sozialer Systeme gut erfassen und beschreiben. Wobei Verirrungen groteskester Art, Denkblasen schaurigster Größe vorkommen. Aber die Gesellschaft auf Kommunikationen allein zu gründen, macht sie für alle grundlegenden soziobiologischen Phänomene blind. Wie Luhmann in 'Liebe als Passion' scharfsinnig den erotischen Kode analysiert, das beeindruckt, aber für die Triebkraft Sexualität, ohne die es gar keinen erotischen Kode gäbe, hat er keinen Blick .
Was hätte eine neurowissenschaftliche Sozialisation aus Luhmann gemacht! Hätte er sein wichtigstes Buch geschrieben, 'Die Gesellschaft der Biowissenschaften'? Und hätte Ute Seibt geheiratet?
So blieb er leider zeitlebens biologisch uninformiert und konnte nie ein Gespür dafür entwickeln, wie der Alte Hominide Adam auch in sehr abstrakten, komplexen Vergesellungen stets wie ein Maxwellscher Dämon präsent ist.- Auch in diesem Forum flackern übrigens immer wieder Blockwart-Aggressivitäten auf, die in merkwürdigem Gegensatz zur wohltemperierten Stimmung der Th. Soz. Syst. stehen.
Blockwart-Aggressivitäten sind natürlich abzulehnen, ebenso alle anderen primitiven Aggressivitäten, ob verbal oder gewaltsam. Aber wie ist es mit der spielerischen Aggressivität der Polemiklust, wie mit den Gewaltspielen des Boxens, mit Aggressivitätsformen, die der Lust und Unterhaltung dienen? Ich finde es nicht schön, wenn sich Boxer in die Backen hauen, aber es bereitet ihnen Lust, ebenso dem Publikum. Dagegen ist die Verteidigungsaggression kein Spaß, sondern überlebensnotwendig, sei sie psychisch oder physisch gelagert. Aggressivität als eine Handlungsmöglichkeit findet sich überall in der Fauna und sogar bei den Karnivoren, den Fleischfressenden Pflanzen, sie ist einfach als Verhaltensmöglichkeit im Genom vorhanden.
Tja. So sei es denn. Man braucht halt mehr als nur eine Theorie. Mir ist im Rahmen dieses kleinen Dialogs übrigens auch klar geworden, warum manche Theologen Luhmann schätzen.
- Systemtheorie nachgetreten: "Sinnsysteme verdanken die Möglichkeit ihrer Sinnhaftigkeit der Sozialität. Ohne sie könnte niemand ein Verbrecher, Held oder sonst irgendetwas sein." (PF) Die ganze Irrealität der hauptamtlichen Systemtheorie-Vertreter, aber für andere Theorieapostel gilt Ähnliches, kommt in solchen Sätzen zum Ausdruck. Es gibt ein Handeln vor dem rechtlichen oder einem anderen Kode. Auch wenn ein Mörder nicht Verbrecher genannt wird, so bleibt er doch ein Mörder.
- Jungs: "...Mütter und Väter von Jungs, Lehrerinnen und Lehrer wissen, wovon die Rede ist, dass am allerwenigsten ein Kampf der Geschlechter weiterführt, den der Feminismus zum unbestrittenen Vorteil der Mädchen gewonnen hat. Woran so lange nichts Falsches ist, solange der Streit um Chancengleichheit diese auch wirklich hervorbringt. Darüber aber sind wir hinaus. Nur zehn Prozent der Lehrer an Grundschulen sind Männer, auch an den weiterführenden Schulen sucht man sie längst mit der Lupe, Schulbücher handeln von starken Mädchen und von Jungens, die kochen und stricken, in Deutscharbeiten geht es um Backrezepte, und im Sportunterricht wird gejazzdanct. Es gibt den „Girls Day“, aber keinen „Boys Day“ und vor allem - es gibt die Jobs nicht mehr, die Jungen anstreben. Dafür gibt es schlechtere Noten bei gleichen Leistungen, denn das Verhalten wird immer mitbenotet. Das hält kein Junge aus. ..." Männliche Problemkinder, Wir müssen die Jungs wieder lieben lernen, FAZ / SWR-Film, 8.4.
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