Mittwoch, 30. Oktober 2013

Heller Kopf, kleiner Grieche







Melanchthon (1497-1560), gemalt von Lucas Cranach d.Ä.



"Die Studien, die Verstand und Sitten bilden sollten, sind vernachlässigt, von umfassendem Wissen ist nichts vorhanden; was man Philosophie nennt, ist leerer, unfruchtbarer Trug, der nur Zank gebiert."
Ja, ja, nicht falsch, Philipp, das gilt auch heute noch. Heute dürftest du aber Schwartzerdt heißen, ohne den Namen übertragen zu müssen ins gelehrte MELANCHTHON. Man kann es auch lockerer halten mit den Namen, das würde ich als Fortschritt werten. Namen sind ohnehin Schall und Rauch. Apropos FORTSCHRITT. Diesen Begriff verwendete Melanchthon tatsächlich vor rund 500 Jahren:
"Ich verfechte diese schönen Studien gegen alle diejenigen, dies sich durch Betrug angemaßt haben, die Menschen in ihrem Fortschritt zu hemmen.”
Eine frühere Verwendung dieses Begriffs im Deutschen kenne ich nicht. Die Scholastik war auf Abschreiben, unsinnige Dispute und Tradition eingestellt. Hier, bei Melanchthon, geht es um die humanistischen Studien, später humaniora geheißen, als neues Bildungsprogramm. Griechisch sollen die Studenten lernen, um auf die Quellen der Antike direkt zugreifen zu können, Hebräisch zudem für die authentischere Rezeption der biblischen Texte.
Bei dem Humanisten und Reformator Melanchthon gibt es also eine doppelte Rückwendung, die sich auch doppelt fruchtbar auswirken sollte, in der Kenntnis antiker Autoren einmal, und in stärkerer philologischer Gewitztheit. Beides mündete in das protestantische Bildungsprogramm, Lesen und Schreiben sollten alle lernen, um die Bibel lesen zu können. Nicht mehr die katholischen Pfaffen sollten allein über dieses Monopol verfügen. Auch das bedeutete Fortschritt, nämlich für die Kompetenz des Individuums, das dann auch realitätstüchtige Texte lesen konnte. In dieser Hinsicht blieb Melanchthon aber naiv wie ein Kind: er glaubte an einen Gott, einen Erlöser namens Jesus.

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