Die Forschung an eineiigen Zwillingen lieferte zahlreiche Hinweise auf den Grad der Vererbung von Intelligenz, s.u.a. Helmut L. Karcher, Wie ein Ei dem anderen, dtv 1975
Es gibt sehr viele schlechte Einführungen in die Soziologie, viele ordentliche und auch eine besonders gute - die von Thilo Sarrazin DEUTSCHLAND SCHAFFT SICH AB. Sie ist zwar nicht fachsystematisch verfaßt, aber gerade das ist einer ihrer Vorteile. Das lebende Objekt steht im Mittelpunkt, die gegenwärtige Gesellschaft. Nicht nur die deutsche, sondern speziell die westlichen Gesellschaften zwischen Berlin und Los Angeles. In allen diesen modernen Gesellschaften wirken ähnliche Kräfte, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Und Sarrazin berührt auch einen Bereich, den es in der soziologischen Frühzeit noch gar nicht gab, der erst zu Zeiten Emile Durkheims (1858-1917) wissenschaftlich entstand: die Genetik.
Den Pferde- und Hundezüchtern war natürlich schon lange bekannt, daß ihre Tiere auch Verhaltenseigenschaften vererbten und daß die Welpen aus einem Wurf unterschiedlich intelligent waren. Doch erst der Darwin-Cousin Francis Galton und Psychologen wie Wilhelm Wundt und William Stern überwanden die theologische und philosophische Borniertheit und forschten systematisch am Gegenstand Intelligenz.
Die Vererbung von Intelligenz wird in durchlässigen Gesellschaften relevant, schichtungsrelevant: bei hohem Sozialstatus findet sich vermehrt ein hoher IQ, bei Personen der Unterschicht ein eher geringer IQ. Das war noch vor hundert Jahren ganz anders. Das (deutsche) protestantische Pfarrhaus, oft arm oder wenig begütert, veranschaulicht die Vererbung von Intelligenz sehr eindrucksvoll, eine unvollständige Aufzählung:
Thomas Hobbes; Samuel Pufendorf; Wilhelm Wundt, Wilh. Dilthey (Vater calv. Prediger); Philipp Matthäus Hahn (1739- 1790); Gryphius, Georg C. Lichtenberg, Friedrich Melchior Grimm (1723-1807), Brüder Schlegel, Gottsched, Wieland, Schleiermacher, Schelling, Schinkel, Jean Paul, August Bürger, Alb. Schweitzer, Theo Mommsen, Schliemann; Matthias Claudius, Benn, Hermann Hesse, Reimar Lüst; Angela Merkel; Alfred Wegener; Annemarie Schimmel; Euler; Carl von Linné; Ranke; Constantin Frantz; Nietzsche; Mörike; C.G. Jung; Talcott Parsons (1901-79); Rudolph Clausius 2.1.1822 : Theologensohn u. doppelter Pastorenenkel; Gertrud Höhler; Robert Burns.
Viele Soziologen einer speziellen Sorte haben es noch nicht bemerkt oder wollen es nicht zur Kenntnis nehmen, daß sich die westlichen Gesellschaften seit Auguste Comte wesentlich verändert haben. Der IQ ist ein wichtiges Schichtungsmerkmal geworden. Sarrazin ist da den meisten Fachsoziologen überlegen. Chapeau!
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