Sonntag, 7. Oktober 2018

Ribbeck



Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Fontane war kein Rebell und kein Revolutionär, er sympathisierte mit der alten Ordnung, mit dem ostelbischen Adel. Auf dem Adelssitz und Rittergut herrschte die Tradition mit ihrer Fürsorglichkeit, wie sie Fontane sowohl in dem einfachen Gedicht wie auch noch in dem letzten Roman “Der Stechlin” porträtiert hat. Die “rote Gräfin” Dönhoff beglaubigte diese Seite des Landadels 1988 in ihren Erinnerungen “Kindheit in Ostpreußen”. Während Gräfin Dönhoff aber der Sozialdemokratie huldigte, war Fontane ihr abgeneigt. Er traute ihr kein Ordnungspotential zu. Der SPD-Kandidat für die Stechliner Gegend ist für ihn ein von den Berlinern geschickter Landfremder, der die einfältigen Arbeiter durch hohle Versprechungen besticht.

Die Nachfahren Ribbecks wurden später von der SED (heute DIE LINKE) enteignet und aus Ribbeck ausgewiesen, sind aber inzwischen zurückgekehrt.  (https://www.vonribbeck.de/der-birnbaum/)
















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