Freitag, 16. April 2021

Goethe, Bartlett und das Christentum

 Leider gilt bei aller Geschichtsbetrachtung immer Goethes Vorbehalt:

"Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit 

Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln;

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,

Das ist im Grund der Herren eigner Geist,

In dem die Zeiten sich bespiegeln." –

Goethe, Faust I, Vers 575 ff.


Aber das soll den Historiker nicht entmutigen, sondern zur Zurückhaltung in der Wertung anhalten und zu methodischer Strenge. 

Dem scheint sich der englische Historiker Robert Bartlett verpflichtet zu fühlen. Schon in der Einleitung seines Buches “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt” stellt er klar, was bei Mitterauer nur durchscheint, polemisch formuliert: versteckt wird; nämlich: 

“Überall beherrschte eine kleine adlige Elite die Landbevölkerung und lebte von der Arbeit der Bauern. Ein Teil des Adels bestand aus Laien; ihr Metier war das Kriegshandwerk, sie waren stolz auf ihre Familien und auf den Fortbestand ihrer Linien bedacht. Die anderen wurden für eine kirchliche Laufbahn bestimmt, als Mönche oder Weltgeistliche.”* Sie wurden gerne Bischöfe, und lassen sich auf diese Weise erfassen und zählen.

“Um das Jahr 1200 existierten ungefähr 800 Diozösen, in denen die päpstliche Autorität anerkannt und der lateinische Ritus gepflegt wurden.”** Das war das anfaßbare Christentum, die Bischöfe repräsentierten es, sie weihten die Priester und versahen alle Dienste und Aufgaben, die Herr Woelki auch heute noch versieht. Aber sie waren Adlige aus den herrschenden Familien in einer bäuerlichen, armen Gesellschaft in einer ganz anderen Zeit. 


*Bartlett, “Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”, S. 11; **ebd., S. 16

  


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