Deutsch trägt jetzt Jeans mit Löchern
English is the easiest language to speak badly. Shaw
People-Stories sind Erfolgsstories, wirbt die BUNTE, während
Westerwelle in schlechtem Englisch verkündet: I am proud to be a German; zwischen Sylt, wo man im Wellnesshotel relaxed, und den Funparks im Kleinen Walsertal ist Engleutsch mächtig in, kein Zweifel.
Das erinnert an Zeiten, in denen sich Herr Greif Gryphius nannte und Herr Schottel Schottelius. Wer politisch etwas zu sagen hatte, wie der Herr Friedrich, schrieb keine Geschichte seiner Zeit, sondern verfaßte eine „Histoire de mon temps“ und lud nicht etwa Gellert, Gleim oder Lessing an seinen Hof, auch nicht Herder und nicht Klopstock, sondern Lamettrie, Maupertuis und Voltaire (sicher keine schalen Köpfe). Ganz im Stil der Pariser Kritik beklagte der französisierende Friedrich noch sechs Jahre vor seinem Tod in der Schrift „De la litterature allemande“ von1780 die zuchtlose Verwilderung der deutschen Sprache und geißelt die abscheulichen Plattheiten in Goethes „Götz von Berlichingen“, den er vermutlich nie gelesen hat.
Goethe nahm es ihm nicht krumm, vielleicht las er seinerseits Fritz nicht, jedenfalls bekannte er in „Dichtung und Wahrheit“, daß er und andere seiner schreibenden Generation ganz „fritzisch“ gesonnen gewesen seien und meint weiter:
„Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie ... Betrachtet man genau, was der deutschen Poesie fehlte, so war es ein Gehalt, und zwar ein nationeller; an Talenten war niemals Mangel ...“ Friedrichs Liebe und Förderung für alles Französische und die entsprechenden französischen Einflüsse sieht Goethe dialektisch und insofern „den Deutschen höchst förderlich, indem sie dadurch zu Widerspruch und Widerstreben aufgefordert wurden; ebenso war die Abneigung Friedrichs gegen das Deutsche für die Bildung des Literarwesens ein Glück ... Man tat, was man für recht erkannte, und wünschte und wollte, daß der König dieses deutsche Rechte anerkennen und schätzen solle.“ (7. Buch)
Goethe tat das seine und führte, Schiller und andere waren auch noch dabei, die deutsche Sprache wie die Literatur auf einen Gipfelpunkt, auf dem wir heute noch bequem stehen können, wenn wir denn wollen. Das Latinisieren und Französisieren hatte das Nachsehen und verschwand mit den Perückenköpfen.
Könnte es mit den englisch kauderwelschenden Smartbubis der Finanzwelt, könnte es mit den Rapmützen der Kinderkultur nicht ähnlich ausgehen? Jede Dummheit, jede Marotte läuft sich tot und langweilt sich am Ende mit sich selbst. Man kann deutlich etwas dagegensetzen, wie dies Goethe tat und schon vor ihm die deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts.
Die meisten deutschen Gelehrten des 17. Jahrhunderts schrieben schlechtes Deutsch und noch schlechteres Latein; heute verwenden sie Flughafenenglisch und ein gar nicht so übles Deutsch: die Lage ist also wohl nicht ganz so ernst, wie manche Sprachapokalyptiker glauben machen wollen.
Und werden die Vorstände der Informationstechnikfirmen nicht irgendwann einmal merken, daß ihre Streamer-Proxy-Cache- und DRAM-Sprache einen nur sehr begrenzten Wirkungsbereich besitzt?
Daß man den Markt für Kybernetikkisten viel breiter abschöpfen kann, wenn man Onkel Otto in einer Sprache anspricht, die er versteht?
Das gilt auch für den Anleger Otto. Der hat viel mehr Geld in der Tasche als sein Neffe Mike mit dem silbernen Handy und hält sich an die Devise des Anlagegroßmeisters Warren Buffet: Ich kaufe nur, was ich verstehe.
Mike hatte mit seiner Jahresgespielin Jessica seinerzeit am Neuen Markt nicht nur die Neuemission BSE gezeichnet, die sich dann als Maklerscherz entpuppte, sondern auch Gigabell, Metabox, Infomatec, Systracom, Emprise, Micrologica, Teamwork Information Management und Intershop und noch ein paar mehr, auf denen im Prospekt ‘Internet’ stand. Genau verstanden hatte er nicht, worum es bei den Geschäftsmodellen ging, wenn die Girlies bei n-tv mit den Start-Up-Stars schwatzten, aber es turnte ihn an. Seitdem die Schwatzblase des Neuen Marktes platzte, fährt Mike wieder mit der Straßenbahn und lernt Englisch; doch fehlen ihm dauernd die Vokabeln. Vokabeln lernen ist so schwer.
Ein Punkt allerdings gibt zur Sorge Anlaß. Das Einfachdeutsch aller Art wird täglich von den Massenmedien versprüht und gelangt auf diese Weise in jedes Kinderzimmer.
Dafür tut sich so allerhand im Internet, auf Youtube und anderen Kanälen; es gibt dort noch Beiträge und Formate mit vielfältigem Wortschatz, mit Genitiv und indirekter Rede. Ohne Gendern und den neuen moralinsauren Wörtern und Wendungen.
Immerhin.
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