Donnerstag, 26. Juli 2012

Lebenslänglich - traumhaft



Prächtig, prächtig - Putins Messe zur Amtseinführung als Präsident im Mai 2000

(Bild: www.kremlin.ru / Wiki.)  




Demokratie - aber wofür? Das könnte man sich manchmal fragen. 
Um einen unblutigen Machtwechsel ohne Bürgerkrieg zu ermöglichen, kann nur die Hauptantwort nur sein. Wenn aber ein relativ moderater Diktator durch islamofaschistische Banden ersetzt wird, erscheint der Nutzen nicht allzu groß. 
Nur wenn die Demokratie in einer aufgeklärten Tradition gründet, achtet und bewahrt sie die individuellen Freiheiten und eine freiheitliche Diskussionkultur, die stets von monotheistischen Ideologien bedroht ist. Marx- und Engelszungen sprechen im Verständnis ihrer Abergläubigen nämlich stets die Wahrheit des Universums aus bis ins letzte Schwarze Loch. Dabei basteln sie ständig an ihrer Machtausweitung und -sicherung - man denke nur an die Katholische Kirche in ihrer Geschichte und die Medienbeteiligungen der SPD. Was der Partei die Machtsicherung ist, bedeutet von der anderen Seite aus betrachtet die Erstarrung der Macht, die Machtversäulung. Je länger die Machthaber sich die staatlichen Machtapparate zurechtbiegen können, allein schon durch langjährige Stellenbesetzungspolitik - besonders wichtig das Verfassungsgericht - desto besser gelingt ihnen die Betonierung ihrer Macht. Unabhängig von den nachrangigen Details des Wahlrechts. Daher begrenzen demokratische Verfassungen die Amtszeiten auf höchstens zwei Perioden. Bonzen wie Lukaschenko und Putin beeindruckt das jedoch nicht. Der eine ändert einfach die Verfassung, der andere, viel schlauer, bedient sich eines Strohmanns, mit dem er ein Doppelmachtspiel betreibt. Ganz witzig, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Dieses Doppelspiel betreibt Putin auch mit der besonders geistlosen und reaktionären Variante des Katholizismus, der orthodoxen Kirche. Oberpfaffe Kyrill gibt da den Doppelpartner gegen die Zivilgesellschaft. Die beruht auf einer freiheitlichen Kultur, und diese wiederum auf einer repressionfreien Diskussionskultur. 

Da nie sicher ist, welche Politik einen erfolgreichen Weg öffnet und immer unsicher bleibt, wie lange der Erfolg andauern mag, bedarf jede Entscheidung, und besonders jede strategische Entscheidung einer großen Bandbreite der breiten Diskussion. Machthaber Kohl war deshalb bei der Einführung des Euro bemüht, die Diskussion zu gängeln und zu beschränken und insbesondere vom Staatsvolk fernzuhalten. Die Entscheidung für den Spaltpilz EURO war falsch, durch eine breite Diskussion in der Bevölkerung und anschließendes Referendum wäre dieser billionenschwere Irrtum vermieden worden und Kohl hätte sich trollen müssen. 
Nach schweren Abstimmungsniederlagen verlieren sie die geliebte Macht, die Machthaber, und eben das ist ihr Albtraum; lieber engen sie den freien Meinungsaustausch ein - ob sie nun Kohl oder Putin heißen.  

Mittwoch, 25. Juli 2012

Luftschlag in die Magengrube






Castellón-Costa Azahar Airport - sehr schön ruhig, weil ohne Passagiere und Flugzeuge  

(Bild: Wiki.) 







“Ein neuer Schlag in die Magengrube”, sagte die Italien-Korrespondentin im Deutschlandfunk, als eine der Bewertungsagenturen die Bonität der italienischen Staatsanleihen herabstufte.  
Ein Schlag? Wohl eher ein verantwortungsbewußter Hinweis für Geldgeber, vorsichtig zu sein. Das kann man nur loben. Überraschen kann das allerdings niemanden, denn seit Jahrzehnten geben die EU-Staaten zu viel Geld aus. Nicht ihr eigenes Geld, sondern das der Steuerzahler. Unseriöses Finanzgebaren ist seit langem für Schäuble und seine Kollegen zur Normalität geworden. Durch steigende Steuerschläge nehmen sie ihren Bürgern immer mehr Geld ab. Der EZB haben sie unter Vertragsbruch die Selbständigkeit geraubt und lassen sie massenhaft Geld verschießen. Das läuft unter dem Namen BAZOOKA und, seit Draghi, DICKE BERTA.  
In Castellón nördlich von Valencia kam viel Geld an, es regnete Geld. Viele subventionierte Bauruinen gibt es in Spanien, diese in Castellón ragt allerdings heraus: ein Flughafen, der mit viel Aufwand errichtet worden ist und 300 Mio Euro kostete. Doch wird dort nie ein Flugzeug starten oder landen, es fehlt an einer Genehmigung. Politiker machen so etwas möglich. Sozusagen ein “Luftschlag” in die “Magengrube” der Steuerzahler. (Vgl. dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1820315/) (Der Koloss von Castellón, FAZ 25.7.12)

Allerdings braucht niemand blind zu glauben, was Ratingagenturen veröffentlichen. Man sollte es auch nicht. Überall werden Fehler gemacht. Die Gutachten und Zahlenwerke sind öffentlich zugänglich, die Haushaltszahlen der Länder ebenfalls. Wenn jetzt Moodys den Ausblick für die deutschen Risiken negativ bewertet, dann hat das jeder Zeitungs-Leser schon vorher gewußt. Was Schäuble und Merkel an Haftungsrisiken angehäuft haben, könnte man, metaphernselig, tatsächlich als “Schlag in die Magengrube” des Steuerzahlers bezeichnen. “Unseriös” würde jedoch völlig ausreichen.  

Dienstag, 24. Juli 2012

Mal so drauflosgequatscht








Doppelsignal mit Speer und Kind




Aus: Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Der Mensch - das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft, 1988  




“Man könnte fast sagen, daß unsere Gesellschaften nach und nach ihr Gerüst verlieren und dazu tendieren, zu zerstieben und die Individuen, aus denen sie bestehen, auf austauschbare und anonyme Atome zu reduzieren.” 
(Claude Levy-Strauss, “Anthropologie in der modernen Welt”, 2012) 

Atome? Gerüst? Gesellschaften? Wußte Levy-Strauss, er verstarb vor zwei Jahren, daß Atome selten allein auftreten, sondern praktisch immer gebunden in Molekülen? Wie Menschen in Kleingruppen, Gruppen, und Großgruppen? Er, der Pariser Mode-Anthropologe, konnte auch als riesige molekulare Maschine beschrieben werden, wie auch alle anderen Menschen. Fast 100 Jahre hielt L-S gut zusammen, erst jetzt zerfallen seine Proteinketten unter der Erde, aber das Feuilleton hält ihn in Ehren und bespricht bisher unveröffentlichte Vorträge. (Vgl. Helmut Mayer, Der Westen ist erschöpft, FAZ 19.7.12)  
In seinen “traurigen Tropen” wäre er nicht so alt geworden und der Aufguß seiner alten Leier, daß der Westen erschöpft sei, wäre unterblieben.  
Und wie steht es mit dem “Gerüst”? Besitzen Gesellschaften ein Gerüst, eine “Struktur”, nach der Art des Hochbaus? So naiv durfte Aristoteles noch sein am Anfang des politischen Denkens, aber nach rund 2500 Jahren Geschichte, die viele Vergesellungsformen des Menschen und stetigen Wandel zeigt, sollte man belehrter sein.  
Da der Mensch immer neue Energie zuführen muß, kooperiert er stets mit anderen Menschen und kommuniziert mit ihnen. Das führt zu Kooperationsgebilden, die man ‘Gesellschaft’ nennen kann, der Begriff hat sich für große Menschenkooperationen eingebürgert. Luhmann sieht in den Kooperationen vor allem die Kommunikation, die er seinem Gesellschaftsbegriff zugrundelegt. Damit begreift er gut die Bewußtseinsphänomene und die Medien, die das kulturelle Leben ausmachen. Das ist bei den “Traurigen-Tropen-Indianern” des Levy-S. wenig entfaltet, und auch ihr Sozialleben insgesamt ist ‘faschistischer’ Natur, zusammengebunden nämlich wie das Rutenbündel ‘fasces’. Für den Einzelnen gibt es dort keinen Spielraum, keinerlei individuelle Freiheit. Die Sozialkontrolle wacht total über den Menschen. Solche primitiven Vergesellungen geben jedem seinen festen Platz, und je primitiver der Mensch ausfällt, desto mehr schätzt er das. Je elaborierter er jedoch ist, desto mehr möchte er dem entfliehen, desto mehr verlangt es ihn nach individueller Freiheit. Und nur im Westen, in der Entwicklung Europas, gewann dieses Freiheitsbedürfnis Raum und Gewicht. Es handelt sich nicht um einen Zufall, daß hier, getragen von Individuen, Wohlstand und Wissenschaft gediehen. Für manche, wie L-S, bis zum Überdruß. Aber versorgen ließ er sich gerne im “erschöpften Westen”.   

Montag, 23. Juli 2012

Bravo!







Drei Putin-Schergen führen eine junge Frau von PUSSY RIOT in Handschellen zum eisernen Käfig des Untersuchungsgerichts - "untersucht" wird in der Putin-Halbdiktatur seit März 2012 (!) ein öffentlich auf Videofilm dokumentierter kurzer, gewaltfreier Protestauftritt in einem Kirchenbunker Kyrills I. 


(s. http://www.youtube.com/watch?v=WUq4BXsNVxU)




Der russische Geheimdienstler und Nachwuchszar Putin war noch nie ein Freund der Freiheit, und seit er erneut unter Umgehung der Verfassung Präsident wurde, geht er rücksichtslos gegen jede Opposition und gegen ausländische Stiftungen vor. Sein Freund Gerhard Schröder, SPD, schweigt dazu. Putin hat über seine Justiz jetzt wegen eines harmlosen Musikprotests bereits ein Jahr “Untersuchungshaft” gegen drei Pussy Riot-Frauen verhängt - eine unglaubliche Brutalität des Regimes, zwei der Frauen haben kleine Kinder. SPD-Gazprom-Schröder schweigt auch dazu. MdB Memet Kilic (Grüne) hat sich beim Moskauer Gericht für die politischen Gefangenen eingesetzt. Bravo!


Schlimm ist, daß die russisch-orthodoxe Kirche, die Tochter des römischen Katholizismus, sich an der Verfolgung der gewaltlosen jungen Frauen aktiv und hetzerisch beteiligt. Das erinnert an die Jahrhunderte dunkler Kirchengeschichte, als die Bosse in Rom mit Gewalt und Scheiterhaufen gegen Andersmeinende vorgingen. In Osteuropa und Rußland gab es keine Aufklärung und die orthodoxe Kirche blieb im dumpfesten Ikonenaberglauben befangen und außerdem eine servile Dienerin der staatliche Macht.
Auch hier klebt die kulturelle Tradition Rußlands wie Pech an der Gegenwart und behindert Zivilisation und Wohlstand.

Sonntag, 22. Juli 2012

Kam ihm chinesisch vor





“Die Rolle von Prüfungsaufsätzen bei der Rekrutierung hochrangiger Beamter der Tang-Zeit (618-907)” war das Thema des Münsteraner Sinologen Reinhard Emmerich in der Akademie d. Wiss. in Düsseldorf am 18.7.12.   

Es handelte sich dabei um kleine Ausarbeitungen, ungefähr im Umfang einer A4-Seite, zu juristisch-kulturellen Fragen etwa von der Art, wie mit einem Beamten zu verfahren sei, der seine Herkunft gefälscht, aber seinen Dienst ordentlich versehen habe. Neben dem Inhalt erfolgte eine Bewertung nach Benehmen, Sprache und Schrift-Beherrschung.
Bai Juyi (772-846), Lyriker, bereitete sich 803 mit einer Sammlung von Prüfungsaufsätzen auf sein Beamten-Examen vor, das ihm den Weg zum Mandarin öffnete.

Max Weber sprach in diesem Zusammenhang von der Beamtenrekrutierung nach dem Kriterium literarischer Bildung und wies darauf hin, daß eine Kompetenzaufspaltung durch solche “Kulturexamen” behindert wurde und sich kein Fachbeamtentum wie in England entwickeln konnte. Dort nahm mit der Schaffung des Schatzamtes und des Exchequers sowie der Sheriffs im 11. Jahrhundert die Entwicklung eines Fachbeamtentums seinen Anfang, an deren Ende die “rationale Staatsanstalt” der Moderne steht. Eine rechtsförmige Bürokratie verleiht dem Staat mit einer gewissen Unabhängigkeit von den jeweiligen Machthabern jene Stabilität, die vor dem Staatsversagen bewahrt.