Montag, 11. Mai 2015

Fanatismus ist eine schlimme Sache


Hirnforschung mit nicht-humanen Primaten wird in Tübingen eingestellt
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Liebes Mitglied der NWG,

Sie haben sicherlich von Nikos Logothetis Entscheidung gehört, seine Forschung mit nicht-humanen Primaten auf Grund der massiven Bedrohungen durch Tierversuchsgegner gegen ihn und seine Mitarbeiter einzustellen.

Dies ist ein schwerer Schlag für die biomedizinische Forschung und die Forschungsfreiheit in Deutschland. Die Genehmigung solcher Versuche unterliegt bei uns hohen Genehmigungshürden, bedarf der Zustimmung einer Ethikkommission und untersucht Nervensysteme, die unserem eigenen am ähnlichsten sind. Wir alle wissen, dass die Erforschung des Nervensystems auch Experimente am gesamten Organismus erforderlich macht.

Es gibt die Möglichkeit, auf der Website der Universität Tübingen mit Ihrer Unterschrift Nikos Logothetis Ihre Solidarität zu bekunden.

Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Joachim Pflüger
Präsident der NWG

6.05.2015 FAZ
Gespräch mit dem Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer zu Tierexperimenten an Primaten
„Wir müssen diese Polarisierungen endlich überwinden“
Nach Drohungen und Beschimpfungen hat der renommierte Tübinger Kognitionsforscher Nikos Logothetis angekündigt, seine Affenversuche schon bald einzustellen
Herr Singer, Sie waren schon in den neunziger Jahren als Affenquäler beschimpft und bedroht worden. Können Sie die Entscheidung des Kollegen Logothetis nachvollziehen, die Primatenforschung zu beenden?
Wir bedauern das alle sehr. Er hat wunderbare Forschung gemacht, und es bestand für ihn kein inhaltlicher Grund, das aufzugeben. Aber er war eben einem massiven Mobbing ausgesetzt, und dem konnte er nicht widerstehen.
Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht, dennoch haben Sie nicht aufgehört zu forschen. Haben Sie die Bedrohung verdrängt?
Das geht ja immer noch weiter. Ich bin jahrelang immer wieder persönlich bedroht worden, ebenso meine Kinder. Meinen Nachbarn wurde gesagt, dass sie in der Nähe eines Mörders, Sadisten, Kriminellen leben, ich bin immer wieder mit Mengele verglichen worden, hatte lange Zeit Telefonterror mit sechs Anrufen pro Nacht. Man drohte mir, mein Auto in die Luft zu sprengen, ich musste immer wieder neue Routen fahren, war eine Zeitlang mit Personenschutz unterwegs. Ich musste meine Pakete zur Polizei tragen und sie vom Schnüffelhund nach Bomben absuchen lassen.
Und trotzdem keine Zweifel, mit der Forschung aufzuhören?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin überzeugt von dem, was ich tue, weil es getan werden muss. Wir haben heute immer noch alle vier Wochen eine Mahnwache vor dem Institut. An den Zäunen der Straßenbahn hängen große Plakate, auf denen ich als Mörder angeprangert werde.
Das hält nicht jeder aus. Sprechen Sie sich mit Ihren Kollegen ab, ob Rückzug eine Option ist?
Wir reden andauernd darüber. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass diese Forschung unerlässlich ist, um mit unseren großen Problemen fertig zu werden. Wir haben bisher noch für keine der großen psychiatrischen Leiden eine kausale Therapie, die auf dem Verständnis von Mechanismen im Gehirn beruht. Alles, was wir heute tun, ist Versuch und Irrtum, und diese Situation ist extrem unbefriedigend. Wir kommen den Lösungen nur näher, wenn wir verstehen, wie die hochkomplexen Gehirne von Primaten funktionieren.
Ist Primatenforschung da alternativlos?
Differenzierte kognitive Funktionen lassen sich an der Maus nur begrenzt erforschen. Durch die heute sehr umfänglichen Analysen der Verbindungen im Gehirn wird immer deutlicher, dass in Primatengehirnen ganz andere genetische Programme abgerufen werden als in Nagern. Die Organisation der Gehirne ist deutlich verschieden. Wir brauchen auch die invasiven Verfahren, um die vielen Daten, die jetzt mit nichtinvasiven bildgebenden Verfahren an Menschen gewonnen werden können, überhaupt interpretieren und mit der nötigen zeitlichen und räumlichen Auflösung deuten zu können. Erst dann können wir fundierte Hypothesen über mögliche Fehlfunktionen ableiten.
Kein Nachlassen der Tierversuche also?
Nein, die Notwendigkeit wird auf absehbare Zeit bleiben. Die Komplexität, mit der wir es zu tun haben, ist so viel größer, als wir ursprünglich annahmen, dass an Primatenforschung im Moment überhaupt kein Weg vorbeiführt. Das wird weltweit so gesehen. Allein in Manhatten gibt es mehr Primatenarbeitsplätze als in ganz Europa.
Eher noch mehr Experimente also?
Die Zahl der Experimente an Primaten ist verschwindend gering. In der Grundlagenforschung machen sie nur 0,01 Prozent aus. Das liegt auch daran, dass man mit den Tieren sehr pfleglich umgeht und deshalb mit einem Tier über viele Jahre arbeiten kann. Die großen Probleme des Tierschutzes existieren doch nicht in dem sorgfältig überwachten Labor der Grundlagenforschung, sondern in der weit weniger regulierten Nutztierhaltung und Schädlingsbekämpfung. Jeder Kaninchenzüchter kann seinem Tier das Fell über die Ohren ziehen, ich dagegen muss schon für einen Versuch mit einer Ratte eine sechzigseitige Begründung mit einer ethischen Rechtfertigung vorlegen. ..."




















mm

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