Sonntag, 24. Mai 2009

Armutspropaganda der Wohlfahrtsverbände




Auch die Margeriten sind da; 12-24°C s

Die Einflußgebiete des Sozialismus

- Armutspropaganda der Wohlfahrtsverbände zur Ausweitung der eigenen Tätigkeitsfelder: LB FAZ Martin Haeusler : "Gegen die Entwertung des Begriffs "Armut" Ich bin gerade von einem vierwöchigen Aufenthalt in Mittelamerika zurückgekommen. In El Salvador liegt der staatliche Mindestlohn - und viele erhalten genau diesen Lohn - bei knapp 200 US-Dollar im Monat, Lebensmittel kosten nur unwesentlich weniger als in Deutschland, Wohlstandsgüter von Möbeln, der Waschmaschine bis zum Auto genau das gleiche wie in Deutschland. Kindergeld, Elterngeld oder irgendetwas in der Richtung gibt es nicht, statt dessen Schulgeld für weiterführende Schulen. Das nenne ich Armut. Was uns aber hier immer wieder verkauft wird, dass eine zweiköpfige Familie mit über 1800 EUR im Monat frei verfügbares (!) Einkommen arm sein soll, ist nichts als eine völlige Entwertung des Begriffs "Armut", die schon im Vergleich mit einem Land, das knapp 100 km östlich von Berlin anfängt, nichts als ärgerlich und peinlich ist."
- - LB Reinhold Schnabel: Das ist doch völlig egal, auf welche Zahlen sich das Schere-Gesülze bezieht. Der Gefälligkeitsjournalismus ist so oder so nur die Aneinanderreihung der hohlen Phrasen. Nehmen Sie einfach Diskriminierung, NPD, Rechts, Armut, Kinderarmut, Hartz-IV-Sklaverei, Ausländerfeindlichkeit und den ganzen anderen Nonsens und bringen Sie es mit der üblichen Eskalationsrhetorik (alle Deutschen sind Nazis und jedes Jahr werden es 30% mehr) - fertig. Sie können nichts falsch machen, denn das machen alle so.
Und es geht ja nicht nur um die Journalisten, denn die Dödl-WissenschaftlerInnen wollen sich ja auch eine goldene Nase verdienen. Deshalb sind die von Einzeluntersuchungen nunmehr übergegangen Indices zu schaffen. Das hat für die den Vorteil, dass die alljährlich die gleichen Untersuchungen mit den übliche beunruhigenden Ergebnissen machen dürfen.
Was mich beängstigt:
Früher hatten wir diesen Müll in SZ, FR, ZEIT & Co. Wenn sich nun auch die FAZ für diesen Blödsinn hergibt, frage ich mich ob wir in Deutschland überhaupt noch eine seriöse Zeitung haben."
- - LB FAZ Franz Wildner : "Für mich zeigen diese Landkarten nur das bekannte Bild, dass im konservativen Süden Deutschlands solider gewirtschaftet wird als anderswo und dass die Leute sich ihr Geld dort selber verdienen, anstatt auf staatliche Transferzahlungen zu warten. Das Problem lässt sich sicher nicht lösen, indem unter lauten Solidaritätsrufen Geldscheintransporte von Süd nach Nord organisiert werden. Diejenigen, welche sich auf ein bescheidenes Leben mit Arbeitslosengeld, Frührente und Hartz IV eingerichtet haben, werden ohne grausamen Druck nie wieder ihren Lebensstil ändern. Und die Berufshelfer wollen ihr Tätigkeitsfeld ausweiten, nicht Arme durch Arbeit zu Reichen machen.
PS: Ich habe mir früher unter Reichtum etwas völlig anderes vorgestellt, als dass ich einen Faktor 2 über dem Durchschnittseinkommen liege. Das Ziel deutscher Politiker ist wohl immer noch, dass alle Bürger einen leistungsunabhängigen Einheitslohn beziehen.
- - LB lu fauk : Nicht aussagekräftig .
Da Mieten bzw. Wohnkosten den größten Anteil der Ausgaben ausmachen, die ernormen Unterschiede aber hier nicht berücksichtigt werden, ist der Beitrag ohne Aussagekraft.
Wenn ich in Mecklenburg-Vorpommern 1.000 EUR weniger für eine Wohnung ausgebe als für eine gleichwertige in München, dann hab ich eben nachher 1.000 EUR mehr auf der Kralle. Wenn ich gleichzeitig 1.000 EUR weniger verdiene oder aus Sozialtransfers abziehe, dann ist mein Lebensstandard identisch. MaW in manchen Gegenden bin ich sicherlich mit 70 % des Durchschnittseinkommens massiv armutsgefährdet, in anderen bin ich mit 50 % recht wohlhabendend.
- - Eine persönliche Anmerkung: Ich habe seinerzeit als Junge die Schuhe meines Vaters aufgetragen, mit großer Unlust, aber nicht im Bewußtsein, arm zu sein. Heute scheint mir das undenkbar zu sein.

- Bolz, Diskurs über die Ungleichheit : " Halb Floskel, halb Kampfbegriff: In seinem neuen Buch entlarvt der Philosoph Norbert Bolz die Rhetorik der sozialen Gerechtigkeit.
Was haben die soziale Gerechtigkeit und Gott gemeinsam? Millionen Menschen glauben daran, obwohl keiner weiß, was genau gemeint ist. Außerdem sind beide Rätselworte untrennbar mit dem Begriff der Gleichheit verbunden. Während die Gleichheit der Menschen „vor Gott“ aber per se gilt, muss jene der sozialen Gerechtigkeit permanent hergestellt werden.
„Soziale Gerechtigkeit durch ,mehr Gleichheit´ ist heute ein Wert, dem man nicht nicht zustimmen kann – der Konsensbegriff Nr. 1“, notiert der Berliner Medienphilosoph Norbert Bolz in seinem neuen Buch; sie ersetze inzwischen das Heilige. „Wer ´soziale Gerechtigkeit´ will, ist offenbar nicht zufrieden mit Gerechtigkeit.“ ' Zur Hölle mit den Gleichmachern, Focus 21.03.2009 /
Norbert Bolz, Diskurs über die Ungleichheit - Ein Anti-Rousseau, 2009, Fink. Bolz (* 1953) ist ein deutscher Medien- und Kommunikationstheoretiker sowie Designwissenschaftler. Er lehrt als Professor an der TU Berlin.

- Arme Menschen jenseits des Sozialgesülzes: "Lucy Gordon ist tot. 24. Mai 2009 ... Die britische Filmschauspielerin hat sich zwei Tage vor ihrem 29. Geburtstag das Leben genommen." Erinnert an "The ballad of Lucy Jordan" und kritisiert die Klischees in dieser von Marianne Faithful eindringlich präsentierten Ballade. Mit dem Sportwagen durch Paris tut's nicht, wenn man unter Depressionen leidet.

Samstag, 23. Mai 2009

"Armutsatlas"



9-21° s H.öl 52,85 (52,35)

- "Armutsatlas zeigt soziale Schere
Vorpommern ist die ärmste deutsche Region
Von Philipp Krohn

18. Mai 2009 Die Armutsberichterstattung in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer präziser geworden. Verschiedene Großstudien und Armuts- und Reichtumsberichte haben über Einkommens- und Vermögensverteilungen sowie über die Lebenslagen armutsgefährdeter Menschen aufgeklärt. Eine Forschungslücke bestand aber darin, wie sich das Armutsrisiko räumlich verteilt. Um sie zu schließen, hat der Paritätische Wohlfahrtsverband jetzt erstmals einen Armutsatlas vorgelegt.

Die Ergebnisse sind auf den ersten Blick wenig überraschend: Die wirtschaftlich prosperierenden Bundesländer Süddeutschlands weisen eine sehr viel geringere Quote des Armutsrisikos aus als im Norden, am schlechtesten schneiden die ostdeutschen Länder ab - auch unter ihnen wachsen die Quoten tendenziell in Richtung Norden. So liegt der Anteil in Mecklenburg-Vorpommern mit 24,3 Prozent am höchsten, mit 10 Prozent in Baden-Württemberg am niedrigsten. ...
Zugrunde gelegt wurden Daten aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes von 2007. Als arm galt den Autoren eine alleinstehende Person, die monatlich über 764 Euro verfügt, für Paare mit zwei Kindern lag die Grenze bei 1835 Euro. Alleinerziehende mit zwei Kindern galten bei einem verfügbaren Einkommen von 1223 als arm. Damit orientiert sich die Studie an der Definition der Europäischen Union, in der die Quote bei 60 Prozent des mittleren Einkommens festgelegt wird. ..." FAZ 19.5.09
- - LB : "Bevor ich Deutschland verließ, arbeitete ich als Jobvermittler in Mecklenburg-Vorpommern. Mich entsetzte hier vielfach das Anspruchdenken vieler ALG 2 Empfänger. Gut abgesichert durch soziale Netzwerke und Nachbarschafthilfe, besaßen viele junge Leute Dinge die ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht leisten konnte. Als wir mit einer Gruppe junger Handwerker nach Skandinavien fuhren um diese in Jobs zu vermitteln, gab es Klagen, daß es keine Brötchen zum Frühstück in der Jugendherberge gab. Arbeitsangebote die einen hervorragenden Einstig in den Arbeitsmarkt geboten hätten (15 Euro netto), wurden zum Teil abgelehnt, weil sie nicht gut genug waren. Von einer generellen Armut im Osten kann deshalb nach meiner Meinung nicht die Rede sein. Mir tun die allerdings die arbeitswilligen Menschen leid, die ohne diese Netzwerke auskommen müssen. " Carl Eric Vethal (malta22)
+ Robert Hamacher (harohama)
Sie übersehen in ihren Anmerkungen, dass die PWV Studie von NETTO Beträgen ausgeht, während Sie mit Brutto Beträgen operieren ( incl. KV/RV usw.). Kein alleinstehender ALG2 Empfänger dürfte die Grenzlinie überschreiten, allenfalls diejenigen in Hochmietzonen a la München, Stuttgart kommen in die Nähe dieses Grenzbetrages.
Gleichzeitig wäre dieser Hinweis auch einer der wichtigsten Kritikpunkten an der Studie; reine Einkommensgrenzen zu definieren und sie regional zu bewerten, ohne die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den Regionen einzubeziehen, ist methodisch straflässig.
Dass der "Staat" der Meinung ist, dass derjenige, der staatliche Transfer- und Aufstockungsgelder bekommt, per se NICHT ARM ist, ist nachvollziehbar. Dass aber alle Wohlfahrtsorganisationen ( incl. der "Tafeln") den ALG2 Empfänger als bedürftig ansehen, zeigt, wie gesellschaftlich umstritten die "staatliche" Armutsdefinition ist.
+ Wohlfahrtsverband ist natürlich interessengeleitet.
Karl-Heinz Andresen (khaproperty)
Deswegen und wegen der Art der Feststellungen sagt das Ergebnis nicht viel aus. Bestenfalls, daß die Kosten im Nord-Osten niedriger sind, die Einnahmen dort zumeist an den Steuerkassen vorbeilaufen und das schöne Institut der Nachbarschaftshilfe für geringe Belastungen sorgt. Deswegen muß das Leben dort nicht schlechter, kann oftmals sogar sehr viel besser, als anderswo sein. Dort möchte man vor allem in Ruhe gelassen werden von den Sprücheklopfern in Berlin.

- - Miegel, Meinhard u.a.
Wirtschafts- und arbeitskulturelle Unterschiede in Deutschland. Zur Wirkung außerökonomischer Faktoren auf die Beschäftigung. Eine vergleichende Untersuchung, gefördert von der Bertelsmann Stiftung.
Bertelsmann Gütersloh 1991 Broschur 149 S.
Eine Zusammenfassung: "In den reicheren Regionen, so ergaben Miegels Befragungen, sind die Deutschen leistungsbewußter und egoistischer, in den ärmeren sind sie bodenständiger, gastfreundlicher und befriedigen mehr Bedürfnisse außerhalb des Erwerbssektors. Sich selbst schätzen die Bewohner reicher Gegenden tendenziell ordnungsliebender, religiöser und weltoffener ein, als es ihre Landsleute in ärmeren Regionen tun; letztere halten sich für bodenständiger, ehrlicher, gastfreundlicher und ausdauernder. In den schwachen Kreisen gaben 37 Prozent der Bevölkerung an, dem Nachbarn bei der Wohnungsrenovierung zu helfen, nur 28 Prozent waren es in den starken. Vierzig Prozent der Menschen in den starken Kreisen glaubten, man müsse rücksichtslos sein, um Erfolg zu haben, in den schwachen waren es nur dreißig Prozent. Unternehmer in den reicheren Regionen hatten ein viel ausgeprägter positives Bild von sich selbst als ihre Kollegen in ärmeren Gegenden.
Auch einige Verbindungen zur Geschichte förderten Miegel und seine Mitautoren zutage: Die Menschen der beiden Gruppen unterscheiden sich nicht in der Konfession, wohl aber in der Intensität ihres Bekenntnisses: Je reicher die Gegend, desto höher war der Stellenwert, den die Bürger der Religion beimaßen. In der Landwirtschaft der starken Kreise galt früher überwiegend das zerstörerische Recht der Realteilung: Die Höfe wurden immer kleiner und unwirtschaftlicher, viele junge Menschen mußten sich schon früh ihr Geld in Handwerk und Handel verdienen und bildeten zwangsläufig kapitalistische Denkweisen heraus. Die schwachen Landkreise standen früher überwiegend unter preußischer Herrschaft, die starken gehörten meist zu süddeutschen Kleinstaaten, in denen der Weg vom König zur Wirtschaft schon immer kurz war, wie die Autoren glauben. Wichtig sei dabei auch die süddeutsche Kommunalverfassung mit ihren sehr mächtigen, vom Volk direkt gewählten Bürgermeistern.
In der Auswertung dieser bemerkenswerten Fakten müssen sich die Autoren allerdings teilweise auf theoretisch sehr dünnem Eis bewegen: Die Stichproben sind angesichts der komplexen Fragestellung sehr klein, die ermittelten Unterschiede in den Mentalitäten zwar statistisch signifikant, aber auch nicht weltbewegend. Und schließlich stellt sich das klassische Problem von Henne und Ei: Prosperieren bestimmte Regionen, weil die Bevölkerung kapitalistisch denkt, oder denkt sie kapitalistisch, weil die Menschen von klein auf die Erfahrung einer prosperierenden Wirtschaft gemacht haben?
Miegel und seine Koautoren ziehen aus dem knappen Material sehr weitgehende Schlüsse: Sollten tatsächlich „regionale Wirtschafts- und Beschäftigungslagen erheblich von Neigungen und Verhaltensweisen der jeweiligen Bevölkerung abhängen, wäre nicht nur fraglich, ob das Postulat gleicher materieller Lebensbedingungen verwirklicht werden kann, sondern mehr noch, ob es überhaupt verwirklicht werden soll". Miegel bezieht diese Aussage ausdrücklich nicht nur auf Deutschland, sondern auf Europa und die ganze Welt. Angesichts der nicht absehbaren Umwälzungen in Osteuropa ist diese Aussage zumindest kühn. " Nikolaus Piper,
EINKOMMENSVERTEILUNG, Was uns reich macht, © DIE ZEIT, 10.01.1992

Freitag, 22. Mai 2009

Systemtheorie, Anmut und Gnade



Von Büchern hab ich großen Hort,
Versteh ich selten auch ein Wort
Sebastian Brant (* 1457 in Straßburg - Mai 1521 ebenda), Das Narrenschiff

- Überraschungen gibt's: Kurras ein Stasi-Mann und Mitglied der SED : "21. Mai 2009 „Welches Signal wäre das gewesen, wenn der beginnenden studentischen und außerparlamentarischen Bewegung das im Juni 1967 bekannt gewesen wäre?“ So fragen Helmut Müller-Enbergs und Cornelia Jabs, die zufällig in den 180 Kilometern Akten des Ministeriums für Staatssicherheit die umfangreiche Akte des damals 39 Jahre alten Kriminalbeamten Karl-Heinz Kurras fanden und seither wissen, dass der tödliche Schuss auf den Studenten Ohnesorg, der so weitreichende Folgen hatte, von einem Mitglied der SED und einem Inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi abgegeben wurde." FAZ // Offenbar sollte auf diese Weise die Polizei als "faschistisch" entlarvt werden, wie das ebenfalls die Strategie des SDS war.

- Auch ein solches Thema überrascht: "Nachdenken verdirbt alles. Anmut und Gnade: Ein Stanforder Kolloquium
Manche ästhetische Grundbegriffe werden von der Literaturwissenschaft für so abstrakt gehalten, dass man sie den Philosophen überlässt. Anmut ... " 20.5.

- - Bezug: Politische Imperative und die wirtschaftliche Wertschöpfung

„ Ich kann Ihrer Argumentation partout nicht folgen.“

Gelingende Kommunikation ist nun mal ein Sonderfall,
sehr geehrter Herr Weitz.

Besonders wenn es um die Kluft zwischen Theorie und Anwendung geht, Theorie und Daten, Theorie und Geschichte.
Mir hat Ihre kurze, allgemein-luhmanniännische Skizze gut gefallen.
Ich wollte nur etwas konkrete Butter bei die Fische tun.
Bei f(x) ist ja auch die Funktionswertetabelle interessant. Funktionalbegriffe folgen nicht der Ideen-Logik: beispielsweise: alles Gute für alle, sondern tragen in die Funktionswertetabelle beobachtete Phänomene ein und konstruieren danach den Kurvenverlauf (s. Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff).
In der guten alten Zeit galt noch: das Gute kommt vom Guten, die Wahrheit tut der moralisch gute Mensch kund, eben weil er moralisch gut ist (Augustinus).
Dieser seelenlose Luh. hat damit in aller Grundsätzlichkeit aufgeräumt. Ein guter Mensch wie Blüm kann halt trotzdem ein Rentenlump sein (als er Helmut Schmidt nachmachte und wider besseres Wissen plakatierte: “Die Rente ist sicher“.) Einen guten Menschen, der lügt und betrügt, konnte sich Augustinus noch nicht vorstellen. Das sprengt den altabendländischen Verstehensrahmen.
Mandeville dachte schon funktionaler:

„ So klagt denn nicht: für Tugend hat’s
In großen Staaten nicht viel Platz.
Mit möglichstem Komfort zu leben,
Im Krieg zu glänzen und doch zu streben,
Von Lastern frei zu sein, wird nie
Was andres sein als Utopie.
Stolz, Luxus und Betrügerei
Muß sein, damit ein Volk gedeih’.
Quält uns der Hunger oft auch gräßlich,
Zum Leben ist er unerläßlich.
Stammt nicht des edlen Weines Saft
Von einem garstig dürren Schaft?
Der, wenn man ihn nicht sorgsam pflegt,
Bloß nutzlos wuchert und nichts trägt,
Doch dessen Frucht uns Lust bereitet,
Wenn man ihn bindet und beschneidet.
Genauso uns das Laster nutzt,
Wenn das Gesetz es kappt und stutzt,
Ja, ist so wenig aufzugeben
Für Völker, die nach Größe streben,
Wie Hunger ist, damit sie leben.
Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, daß eine goldene Zeit
Zurückkehrt, sollte nicht vergessen:
Man mußte damals Eicheln essen.“

aus:
Bernard Mandeville, „Die Bienenfabel oder
Private Laster, öffentliche Vorteile“ ,
Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 300

Ja. So kann man das sehen. Im Vatikan gibt es keine wirtschaftliche Wertschöpfung. Nicht nötig, wenn man den (Kirchen-) Bürgern in die Tasche greifen kann.

+ „ auf der anderen Seite werfen Sie der Politik
genau diese Machtlosigkeit vor?“ +

Aber nein. Die Politik gebärdet sich als Mischung aus Rübezahl und Weihnachtsmann: sie mischt sich dilettantisch ein im Stil eines besserwissenden Königs und macht mal einen Krieg, mal eine Hyperinflation, oder beides, oder, nach einem Paradigmenwechsel, will sie alles Gute für alle (alias GEMEINWOHL).
Dabei denkt sie meist linear und direkt und ontologisch wie Augustinus. (Das Ganze versieht sie mit Schaugeschäft, Popular Art.)
Wer rund 60.000 §§ Steuerliteratur verfassen kann und noch viel mehr Verordnungen aller Art, der leidet nicht an Machtlosigkeit, wer dem Bürger jeden Monat über direkte und indirekte Steuern und Abgaben weit über 50% aus der Tasche zieht, der hat entschieden zu viel Macht.
Es ist grotesk, daß im Zuge der Entwicklung funktional differenzierter Gesellschaften die Staatsquote ansteigt, anstieg von etwa 10% um 1900 auf gut 50% in der Gegenwart, den Bürgern in ihren Subsystemen also von der staatlichen und halbstaatlichen Bürokratie die Verwaltung der eigenen Belange ein gutes Stück aus der Hand genommen wird.

Im übrigen gebe ich zu, die Systemtheorie nicht für Wahrheit und Gutheit einzusetzen, sondern um konkrete Phänomene in den Blick zu nehmen.

Donnerstag, 21. Mai 2009

Politische Imperative und die wirtschaftliche Wertschöpfung



Wonnemonatlich: 16-21°C

„Ein gewisses Geldvolumen wird flüssig gehalten“ : von den staatlichen Notenbanken. Immer mal wieder so flüssig, daß es den Bürgern, wie bei der Hyperinflation 1923, durch die Finger läuft wie Wasser. Oder bis vor kurzem in Zimbabwe bis zur Abschaffung des Zim-$.
Die Politik ist in der Moderne nicht mehr der Kopf, der noch ein paar Anhängsel hat. Eher verhält es sich heute umgekehrt, und die Pop-Art-Truppe der Politiker mag sich mit dieser Mediatisierung nicht recht abfinden, sehen sie sich doch heimlich in der Ahnenreihe des Sonnenkönigtums. Die Bedeutung dieser Einsicht kann schwer überschätzt werden, ebenso wenig die Größe des Freiheitsspielraums, der sich durch die Abschaffung des Kopfes öffnet.
Aber immer noch hat die Politik die Zentral-Kasse usurpiert in Form des Geldmonopols und des Steuermonopols. Da fehlt der Wettbewerb, die Checks und Balances. Man hat zwar den großen Vorteil eines einheitlichen Währungsraumes, aber Besteuerung und Geldversorgung werden außerhalb des Subsystems Wirtschaft gesteuert. Kann man das noch strukturelle Kopplung nennen?
Luhmanns Perspektive der Subsysteme scheint mir zu enthüllen, daß rohe Herrschaftsbeziehungen auch in funktional differenzierten Gesellschaften immer noch dominieren, daß die Wert-Logiken des politischen Dirigismus die Logik der Subsysteme stark überlagern. Stellt man sich die Logiken als tektonische Platten vor, dann muß es, zusätzlich zu den normalen Betriebsunfällen, immer wieder zu politisch-wirtschaftlichen Großbeben kommen, das 20. Jahrhundert war voll davon.
Im Beispiel der Finanzkrise hat in einer langen Wirkungskette der Wohlfahrtsimperativ „Jedem seinen Kredit, jedem sein Häuschen“ zu einer soziallogischen Hyperkreditvergabe durch die halbstaatlichen Hypothekengiganten Fannie und Freddie Mac geführt, die die kredit-/pfandlogische Verantwortlichkeit ausgehebelt und die Verschuldungsgrenzen verschoben hat.
Fannie und Freddie Mac konnten recht sicher sein, daß alle Sozialpolitiker in Washington (die zum Teil, wie bei der deutschen KfW auch, in den Beiräten sitzen) sich für ihre Kredit-Politik einsetzen würden, stammte der Gründungs-Auftrag ja noch von Roosevelt selbst. Daraus ergibt sich das Problem des „Moral Hazard“: die politische Protektion macht keck, das Untergangsrisiko ist aufgehoben. So etwas strahlt auf andere Institute aus, strahlt auch weit in die allgemeine Mentalität aus: der Staat wird’s schon richten. Das kann er aber nicht, auch wenn er die Zentral-Kasse monopolistisch verwaltet. Sein Teil ist die Wert-Logik, die wirtschaftliche Wertschöpfung folgt einer Gewinn-Logik.
So „rettete“ zwar der große Schröder mit dem Geld der Steuerzahler die Bau-Firma Holzmann, aber nur für ein halbes Jahr.
Die wirtschaftliche Eigenlogik hat natürlich ihre Krisen wie alle Systeme, aber es ist stets zu fragen, ob sie politisch induziert sind. Das kann man mit Luhmann, scheint mir, präziser tun.
Läßt man die funktionale Gewinnlogik gewähren, übersetzt sie sich wunderbar in Wohlstand und man gewinnt mehr Zeit, um mehr Krisen zu erleben: in hundert Jahren nahm die durchschnittliche Lebenserwartung bei verbesserter Gesundheit um rund 25 Jahre zu.

Mittwoch, 20. Mai 2009

Qué Será, Será / Politikwissenschaftliche Erkenntnisprobleme



Der Rotklee ist da; 13-20°, schon den zweiten Tag.

- Ausgeschnitten: Bei Erotikdienstleisterinnen liegt es in der Natur der Sache, bei TV-Wetterpräsentationen weniger, in Schulklassen stört es den Unterricht - der tiefe Ausschnitt ist inzwischen so verbreitet wie es Tätowierungen sind - Trauerfeiern bisher ausgenommen. In München gelang es Frau Burda, auch diese Grenze guten Geschmacks zu verschieben.

- "Ich will 25 Mrd. Euro Steuergeld für die Gesundheit" - Forderungen an andere zu stellen ist das einzige, was Ulla Schmidt wirklich kann.

- " Anpassung und Gelassenheit.
Die Rolle der Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert.
Fareed Zakaria, Chefredakteur von Newsweek International, entwirft die Vision eines post-amerikanischen Zeitalters. Die Vereinigten Staaten verabschieden sich von ihrer Vorherrschaft, dafür steigen andere Mächte auf: China, Indien, Europa und Lateinamerika bilden die neuen Machtpole, wo jetzt die höchsten Gebäude, die größten Fabriken, die reichsten Männer und die gigantischsten Einkaufszentren die Machtverschiebungen veranschaulichen. Die wirtschaftliche Dynamik geht also nicht mehr von den Vereinigten Staaten aus, sondern wird von den neuen Aufsteigern bestimmt. ... Der Leser kann von Zakaria viel Kluges erfahren. Aber es ist bedauerlich, dass viele Krisenaspekte der Weltpolitik, vor allem die umstrittene Rolle Russlands (nicht nur als Energiemacht), schlichtweg negiert werden. Das 21. Jahrhundert wird ein postamerikanisches unter amerikanischer Führung - so lautet das paradoxe Fazit des Autors. In diesem widersprüchlichen Befund liegt der Reiz des Buches. " Rez. Christian Hacke
Fareed Zakaria: Der Aufstieg der Anderen. Das postamerikanische Zeitalter. Siedler Verlag, München 2009. 350 S., 22,95 [Euro]. F.A.Z., 19.05.2009
// Die Zukunft hat noch nie jemand gekannt, damit müßte natürlich jedes Buch beginnen, das sich Zukunftsbetrachtungen, das sich Mutmaßungen über die Zukunft widmet. Sinnvoll sind jedoch solche Überlegungen allemal. Wenn genügend Kenntnisse vorhanden sind, die die Mutmaßungen nicht in Phantasien abgleiten läßt, gar in abstruse Gaukeleien, wie das oft vorkam im Rückblick, wie es das Fundament war für den blutigen Megawahn des zwanzigsten Jahrhunderts von 1914 bis 1989 . Wer hätte solche Kenntnisse? Zakaria besitzt sie auch nicht. Sonst würde er nicht das schwächeverliebte, gelähmte Europa in eine Reihe mit China, Indien und Brasilien stellen. Auch Amerika selbst trägt die alteuropäische Schwäche in sich, dafür stehen Namen wie Chomsky, Krugman und Gore. Aber auch Wohlfühlpolitiker wie Obama bleiben bei falschen Entscheidungen pragmatisch, sie verfallen nicht in europäische Wahnausschläge. Die Unternehmer Europas, auch große Teile der technisch-wissenschaftlichen Intelligenz, behaupten sich in der globalen Spitzenklasse, doch Lehrerschaft, Medien, Arbeiterschaft und Politik machen ihnen das Leben schwer und schwerer. Diese Probleme haben die USA in weit geringerem Maße: Zuse und Nixdorf brachten die Mikroelektronik auf den Weg, in Amerika blüht sie und in Europa starb sie ab; Fraunhofer schuf das MP3-Format, US-Unternehmen erfüllten es mit industriellem Leben und lassen es in China montieren. Japanische Unternehmen tun desgleichen. China, und ähnliches gilt für andere Schwellenländer, montiert die Blaupausen aus Amerika und Europa. (Die einzig wirksame 'Entwicklungshilfe'.) Daran ändert auch die gegenwärtige Buchgeldfinanz- und Sozialkrise nichts. Die Amerikaner werden vermutlich lernen, daß die wohlmeinende Kreditvergabe an unverantwortliche Bürger Grenzen haben muß; daß Finanzinnovationen immer an eine möglichst kurze Haftungsleine gehören. (Allerdings: bei Innovationen kann man eben nichts Genaues wissen!! Klugscheißer wissen natürlich immer alles besser. Wie hieß der Herr von der Societe Generale, der seit 1990 den Krach prognostizierte? Lambert? Jeder Katastrophen-Guru bekommt irgendwann recht. Eine reine Zeitfrage. Wenn nicht der Wärmetod bei Implosion der Sonne, dann eben der Kältetod bei der Entfernung der Erdbahn von der Sonne. Vielleicht sind aber bei beiden Hypothesen Rechenfehler nicht ausgeschlossen? Keiner rechnet so gut wie homo sapiens irrationalis, keiner verrechnet sich so gut.)

- ' Von Sümpfen und Zöpfen. Der Siegeszug der Demokratie stagniert seit langem.
Die Demokratie gilt als optimale Balance von politischer Effizienz und Machtkontrolle. Schon vor 1990 begann, was Optimisten die "dritte Welle ... " ' 19.5. Bredow, FAZ
// Die Politologen sind eine recht einäugige Gesellschaft. Unter den Problemen, die in den von Bredow referierten Aufsätzen behandelt werden, taucht eines nicht auf: die Stimmenkaufprogramme, die die Parteien besonders in Wahlkämpfen aufstellen, die Steuergeld verschleudern und das politische Niveau der politischen Auseinandersetzung immer weiter absenken.

- Ost-Propaganda: Was hat denn Theo Sommer, Zeit-Chefredakteur er vom 1. Januar 1973 bis zum 30. September 1992 studiert? (Danach fungierte er vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. März 2000 als Herausgeber. Seit 1. April 2000 ist Sommer Editor-at-Large bei der Zeit.) Friedr.-Wilh. Siebeke erinnert uns: 1986 bereiste Chefredakteur Sommer mit sechs leitenden Redakteuren die "DDR" zum Studium derselben. Fazit: " Drüben hat sich ein zweites deutsches Wunder vollzogen. " (LB Siebeke 19.5.09 FAZ)
Was hat Sommer also studiert? Geschichte und politische Wissenschaften. Und auch noch interessant: 1969/70 war Sommer unter Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung. Von 1970 bis 1972 war er Mitglied der Wehrstrukturkommission der Bundesregierung. Die beiden Freunde Sommer und Schmidt sitzen auch heute noch zusammen am ZEIT-Herausgeber-Stammtisch.

- "Debatte: Schwan will DDR nicht Unrechtsstaat nennen" Focus 16.5. - Was hat denn Schwan studiert? Ach ja, sie lehrt politische Wissenschaften. Na dann.

- Nun kommt nicht aller Unsinn aus der Philosophischen Fakultät, und es kommt nicht nur Unsinn heraus, aber der Saldo sieht nicht gut aus. Sommer und seine Propagandatruppe belegen es einmal mehr. Und Schwan ebenso.