Donnerstag, 18. Juni 2009

Unguter Name: Habermas



14-20°C, es darf noch etwas wärmer werden

- "Zur Abwehr der Systemkrise lenken spätkapitalistische Gesellschaften alle sozialintegrativen Kräfte auf den Ort des strukturell wahrscheinlichsten Konfliktes, um ihn desto wirksamer latent zu halten; zugleich befriedigen sie damit politische Forderungen der reformistischen Arbeiterparteien." J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 1973, S. 57

- Der Name klingt ungut in meinen Ohren, er wird dem Hörer und Leser heute pausenlos aufgedrängt, da will ich ihn doch erwähnen, der Klarheit halber: Habermas hat mir ein Leid's getan, er gehörte zu den Verführern meiner Jugend, ich habe sein Geifern gegen die Notstandsgesetze, seine alberne Agitation gegen das, was er in seiner ideologischen Verblendung für "Spätkapitalismus" hielt, dieses ganze Gesumse bis hin zum "Verfassungspatriotismus" habe ich als dummer junger Arbeiter, dann als Student mit kleinen Studentenkenntnissen, das habe ich ernst genommen und dann auch noch sein queres Kauderwelsch bewundert. Ich habe es überwunden, man muß nicht so kleingeistig bleiben, wie es der junge Kopf kaum anders sein kann. Oh Luhmann, warum habe ich dich nicht früher ernsthaft studiert.

Mittwoch, 17. Juni 2009

17. Juni, Weniger Straftaten in Deutschland, Amflora




Deutsches Tropenfossil Ida

Sowjetische Panzer 1953 in Berlin

- "Weniger Straftaten in Deutschland
Rückgang der Gewaltdelikte / Mehr Fälle von Kreditkartenbetrug / Neue Polizeistatistik
bin. BERLIN, 15. Juni. Die Zahl der erfassten Straftaten in Deutschland ist weiter rückläufig. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ..." FAZ // Allerdings nimmt der ältere Teil der Bevölkerung zu, der weniger Straftaten begeht, während der kriminell aktivste Teil der Bevölkerung, die jungen Männer, abnimmt.

- EU-Trauerspiel: "Amflora und kein Anfang. Von Michael Psotta. Die Genkartoffel Amflora verschwindet wieder einmal im Brüsseler EU-Dickicht. Gut zwölf Jahre nach dem Antrag auf Zulassung sind zahlreiche ..." FAZ 16.6.

- Studenten-Trauerspiel: Ein Teil der Studenten aus der Schwafelfakultät blockiert Seminare und Vorlesungen und macht Klamauk . Wir brauchen nicht mehr Bildung, sondern mehr Ingenieure, Informatiker, Mediziner, Medizintechniker, Physiker, Chemiker ... An Schwafelbrüdern ist Teutschland überreich.

- Erfreulich: "Fuchs Petrolub kommt wieder auf Touren
10 000 verschiedene Öle und Fette hat Fuchs Petrolub im Programm. Die Nischenpolitik zahlt sich aus. Der Mannheimer Schmierstoffspezialist wird ..." FAZ

- "Der Volksaufstand am 17. Juni 1953
Im Juni 1953 herrschte in Berlin im sowjetisch besetzten Sektor und der Zone, wie das besetzte Gebiet der Russen kurz genannt wurde, ein gespanntes Klima. Die SED – Regierung hatte wieder einmal die Normen für die zu erbringenden Arbeitsleistungen der “Werktätigen” erhöht und damit den Bogen überspannt.
Nach ersten Arbeitsniederlegungen am 15. Juni brach am 17. Juni 1953 der Volksaufstand in der SBZ (”DDR”) aus. Parteihäuser gingen in Flammen auf, Haftanstalten wurden gestürmt und die Gefangenen befreit. Einige “Volkspolizisten” warfen demonstrativ ihre Uniformjacken weg und mischten sich unter Beifall unter die Demonstranten.
Unter Beschuß, aber unter tosenden Beifall, wurde die verhaßte rote Fahne vom Brandenburger Tor geholt.
Am 17. Juni, 13.00 Uhr wurde durch die sowjetische Militärkommandantur über Ost – Berlin und 167 der 217 Stadt- und Landkreise der SBZ der Ausnahmezustand verhängt und das Standrecht erklärt.
Der Volksaufstand wurde innerhalb weniger Stunden durch die sowjetische Besatzungsarmee niedergeschlagen und in Blut und Tränen erstickt.
Mindestens 125 Menschen wurden erschossen oder hingerichtet, darunter 41 Sowjetsoldaten, die sich weigerten, auf Deutsche zu schießen.
Rund 25.000 Deutsche aus Ost und West wurden nach dem 17. Juni verhaftet und teils zu hohen Haftstrafen verurteilt."
http://www.17juni1953.de/
// Volksaufstand? Aufstand? Viele Bürger unterschiedlicher Zurechnung, Arbeiter, Oppositionelle aller Art, wehrten sich gegen Sowjetische Besetzung und SED-Diktatur. Das ist wohl der Erinnerung wert (die FAZ brachte nichts). SED und Sowjets machten allen deutlich, daß sie keine Demokratie, keine individuelle Freiheit, keinen Widerspruch duldeten.

- Grube Messel (ehem. Vulkan), Fossil Ida: schon früher gefunden, jetzt als Lemurenaffe neu interpretiert; vor 47 Mio. herrschten in D trop. Temperaturen.

Dienstag, 16. Juni 2009

Der Juni, CROPS UNDER STRESS AS TEMPERATURES FALL




Teheran

Kästner im Garten, als es im Juni noch warm war



Erich Kästner

Der Juni

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
so sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
Und weil's zur Jahreszeit gehört,
aus Küssen kleine Kinder.

Die Vögel füttern ihre Brut
und singen nur noch selten.
So ist's bestellt in unsrer Welt,
der besten aller Welten.

Spät tritt der Abend in den Park,
mit Sternen auf der Weste.
Glühwürmchen ziehn mit Lampions
zu einem Gartenfeste.

Dort wird getrunken und gelacht.
In vorgerückter Stunde
tanzt dann der Abend mit der Nacht
die kurze Ehrenrunde.

Am letzten Tische streiten sich
ein Heide und ein Frommer,
ob's Wunder oder keine gibt.
Und nächstens wird es Sommer.

- - Hoffentlich ! ! Heute 13-17° Sch
- - CCNet 93/2009 - 15 June 2009 -- Audiatur et altera pars
CROPS UNDER STRESS AS TEMPERATURES FALL
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For the second time in little over a year, it looks as though the world may be heading for a serious food crisis, thanks to our old friend "climate change". In many parts of the world recently the weather has not been too brilliant for farmers. After a fearsomely cold winter, June brought heavy snowfall across large parts of western Canada and the northern states of the American Midwest. In Manitoba last week, it was -4ºC. North Dakota had its first June snow for 60 years. There was midsummer snow not just in Norway and the Cairngorms, but even in Saudi Arabia.
--Christopher Booker, The Sunday Telegraph, 14 June 2009

- Bert Brecht
Maßnahmen gegen die Gewalt
Als Herr Keuner, der Denkende, sich in einem Saale vor vielen gegen die Gewalt aussprach, merkte er, wie die Leute vor ihm zurückwichen und weggingen. Er blickte sich um und sah hinter sich stehen - die Gewalt.
"Was sagtest du?" fragte ihn die Gewalt. "Ich sprach mich für die Gewalt aus", antwortete Herr Keuner.
Als Herr Keuner weggegangen war, fragten ihn seine Schüler nach seinem Rückgrat.
Herr Keuner antwortete: "Ich habe kein Rückgrat zum Zerschlagen. Gerade ich muß länger leben als die Gewalt."
Und Herr Keuner erzählte folgende Geschichte: In die Wohnung des Herrn Egge, der gelernt hatte, nein zu sagen, kam eines Tages in der Zeit der Illegalität ein Agent, der zeigte einen Schein vor, welcher ausgestellt war im Namen derer, die die Stadt beherrschten, und auf dem Stand, daß ihm gehören soll jede Wohnung, in die er seinen Fuß setzte, ebenso sollte ihm auch jedes Essen gehören, das er verlange; ebenso sollte ihm auch jeder Mann dienen, den er sähe.
Der Agent setzte sich in einen Stuhl, verlangte Essen, wusch sich, legte sich nieder und fragte mit dem Gesicht zur Wand vor dem Einschlafen: "Wirst du mir dienen?"
Herr Egge deckte ihn mit einer Decke zu, vertrieb die Fliegen, bewachte seinen Schlaf, und wie an diesem Tage gehorchte er ihm sieben Jahre lang. Aber was immer er für ihn tat, eines zu tun hütete er sich wohl: das war, ein Wort zu sagen.
Als nun die sieben Jahre herum waren und der Agent dick geworden war vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen, starb der Agent.
Da wickelte ihn Herr Egge in die verdorbene Decke, schleifte ihn aus dem Haus, wusch das Lager, tünchte die Wände, atmete auf und antwortete: "Nein."
- Nicht alles, was Brecht geschrieben hat, war marxistischer Blödsinn. In dieser schönen Keuner-Geschichte von 1932 treffen sich der Opportunist Brecht, der stets auf seinen persönlichen Vorteil bedacht war, und der reflektierte Brecht auf konstruktive Weise.
- - Marc Bloch : hätte diese Keuner-Geschichte lesen können, und eigentlich, er war ja nicht blöd, hätte er auch selbst darauf kommen können, statt sich dieser dämlichen, von Stalinisten dominierten Resistance anzuschließen und sich in überflüssige Gefahr zu begeben und darin am 16. Juni 1944 umzukommen. Militärische Mätzchen konnten andere besser, als Historiker hätte er den vielen, stets zu hohlem nationalem Pathos neigenden Franzosen mehr genutzt, sich selbst und seiner Familie ebenfalls. Christoph Vormweg beginnt sein Zeitzeichen mit der opernhaften Aussage eines Bloch-Schülers, er habe einen Helden als Lehrer gehabt. Ansonsten sind die Linken ja immer gegen Helden. Zu recht. Die gehören auf die Opernbühne. Blochs kulturelle Ausweitung des Geschichtsverstehens war vielversprechend.
- Marc Bloch: "Aus der Werkstatt des Historikers"
"Ursprünglich hatte Marc Bloch, der sich eher als Historiker denn als Mediävist verstand, wie Urs Hafner berichtet, einen Band mit eigenen Texten unter diesem Titel publizieren wollen. Statt eines abgeschlossenen monografischen Werks sollte die Leserschaft Einblick in das Handwerkszeug des Historikers gewinnen. Nach Hafner enthält der Band Texte aller Genres: von Lexikonartikeln über Rezensionen bis zu Vorträgen und großen berühmten Aufsätzen Blochs. Bloch erwärme sich "weniger für theoretische Höhenflüge", meint der Rezensent, sondern erweise sich vielmehr als jemand, der Interesse hat an problemorientiertem, quellenbezogenem Arbeiten. Beeindruckend findet Hafner, wie weit Bloch bereits damals über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinausschaute und Neuerscheinungen der Ethnologie, Psychologie und Soziologie zur Kenntnis nahm. Welch ein scharfzüngiger und rationalistischer Geist, schwärmt Hafner." NZZ 25.7.01

Montag, 15. Juni 2009

Erkenntnisprobleme: Ackermann, Sarrazin, Ehrhardt



14-17°C

- Grossdemonstration der Opposition in Teheran
Mindestens ein Toter – Khamenei ordnet Überprüfung des Wahlresultats an

- Ackermann als IIF-Chef : "Finanzkrise. Ackermann warnt Politik vor Eingriffen
IIF-Chef Ackermann ruft dazu auf, "nach vorne zu schauen"
11. Juni 2009 Die Großbanken gehen wieder in die Offensive. Von Demut aufgrund ihrer Rolle in der Finanzkrise ist auf der Jahrestagung des Branchenverbandes Institute of International Finance (IIF) in Peking nichts zu spüren. „Wir müssen jetzt nach vorne schauen“, sagte Josef Ackermann, Vorsitzender des Direktoriums des IIF. Er warnte vor einer Überregulierung durch die Politik und einem Verfall der Chancengleichheit auf den Finanzmärkten durch staatliche Eingriffe. Eine Beeinflussung des Geschäftes und der Aufstellung der Banken lehnte der Verband am gestrigen Donnerstag kategorisch ab: „Lassen Sie mich unterstreichen, dass wir es als nicht hilfreich empfinden, Reformen etwa auf Themen wie die Größe einzelner Banken oder den Zweck ihres Geschäftes auszurichten“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank in seiner Rolle als IIF-Chef.
Der Verband war 1983 als Antwort auf die internationale Schuldenkrise gegründet worden und zählt mehr als 370 Mitgliedsunternehmen. Seinem Anspruch, Krisen künftig verhindern zu können, wurde er indes nicht gerecht: „Niemand hat das vorhergesehen. Wir haben nicht geahnt, dass das Vertrauen in so kurzer Zeit zusammenbricht und Investoren in einen vollkommenen Streik treten würden“, sagte Ackermann mit Blick auf den Tiefpunkt der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers Mitte September vergangenen Jahres. ..." FAZ // Auch die nächste Krise wird uns überraschen, denn Leben ist Krise. Aber die Krisen des Finanzkapitalismus sind vor allem Buchgeld-Krisen. Hat sich da ein Subsystem FINANZMÄRKTE ausdifferenziert? So sieht es aus.

- Finanzkrise 08/09 Sarrazin Focus 1.11.08
" Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wundert sich über die deutschen Banker und warnt vor einer dauerhaften Staatsbeteiligung.
Focus: Wer ist schuld an der Finanzkrise?
Sarrazin: Letztlich die Bankmanager. Wer sonst?
Focus: Was haben die falsch gemacht?
Sarrazin: Sie haben Risiken falsch eingeschätzt. Die Amerikaner haben ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von 500 bis 600 Milliarden Dollar, das sich über die Jahre auf Billionen Dollar summierte. Über dieses Geld, das sie nicht selbst erwirtschaftet haben, konnten sie zusätzlich verfügen. Finanziert hat ihnen das vor allem China, aber auch das Exportland Deutschland.
Dieses Geld drängte in die Vermögensanlage. Das hat die Aktienmärkte, die Immobilienpreise und den Handel mit Kreditforderungen angeheizt.
Focus: ... und jede kaufmännische Vorsicht ausgeschaltet?
Sarrazin: Das ging so lange gut, wie die Risiken eines Ausfalls unverbunden, also vereinzelt blieben. Einem einzelnen 80-Jährigen kann keine Bank einen Kredit mit sieben Jahren Laufzeit geben. Aber 1000 80-Jährigen kann ich einen Kredit über sieben Jahre geben, wenn die 1000 eine durchschnittliche Lebenserwartung von weiteren acht Jahren haben. Wenn aber die Hälfte der 80-Jährigen auf einmal an der lebensgefährlichen Hongkong-Grippe erkrankt, habe ich als Bank plötzlich ein verbundenes Risiko und damit ein Problem.
„Je dümmer einer ist, umso mehr wächst das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten“
Focus: Dann ist die Finanzkrise eine Art Naturkatastrophe, die man nicht vorhersehen konnte?
Sarrazin: Das Ganze hat schon etwas Einmaliges. Der ehemalige Dresdner-Bank-Vorstand Leonhard Fischer sagte mir kürzlich, noch nie seien auf allen US-Regionalmärkten gleichzeitig die Preise derart eingebrochen. Bislang waren immer nur Teilmärkte betroffen. Das hat keiner erkannt, geschweige denn geglaubt.
Focus: Und plötzlich waren all die schönen AAA-Ratings Makulatur.
Sarrazin: Exakt. Weil es keine Käufer mehr gab, waren auch die tollen Papiere, die sich einzelne Landesbanken auf Pump für ihre Zweckgesellschaften in Irland angeschafft hatten, nichts mehr wert. Gleichzeitig brach auch die kurzfristige Refinanzierung weg. Diese Kombination ungünstiger Umstände hat niemand vorausgesehen.
Focus: Vielleicht wollte es ja keiner sehen, weil alle gut damit verdienten.
Sarrazin: Die Selbstgewissheit der Verantwortlichen war in der Tat sehr groß, wenn wir es nicht Arroganz nennen wollen.
Focus: Besonders risikofreudig waren ausgerechnet die Vorstände öffentlich-rechtlicher Banken.
Sarrazin: Wenn die kleine SachsenLB riskante Papiere für 20 Milliarden Euro in einer Zweckgesellschaft in Dublin parkt und mit diesem gewaltigen Brocken selbst in guten Zeiten jährlich nur 20 Millionen Euro Überschuss macht, ist das eine lächerliche Rendite. Trotzdem hat von diesen Produkten weltweit niemand so viel gekauft wie deutsche Landesbanken.
Focus: Warum?
Sarrazin: Diese Leute haben offenbar nicht verstanden, was sie da machen. Und sie haben nicht verstanden, dass sie es nicht verstanden haben. Der Dummheitskoeffizient scheint leider in deutschen Banken besonders hoch zu sein. Generell gilt ja die Regel: Je dümmer einer ist, umso mehr wächst das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das Ganze ist systemisch im öffentlich-rechtlichen Bankenbereich, obwohl beispielsweise die Landesbank Baden-Württemberg das offenbar ganz gut überstanden hat.
Focus: Hat da die Kontrolle versagt?
Sarrazin: Ja. Und zwar sämtliche Kontrollinstanzen – die Aufsichtsräte, die Wirtschaftsprüfer, die staatliche Bankenaufsicht, die Rating-Agenturen. Auf Betreiben der Amerikaner galt ja noch kein Basel II, das schärfere Bilanz- und Eigenkapitalrichtlinien vorsieht.
Focus: Was lernen wir daraus?
Sarrazin: Alle Banken brauchen mehr Eigenkapital. Eine Quote von mindestens zehn Prozent. Und alle Bankgeschäfte gehören in die Bilanz. Wenn eine Bank Risiken weitergibt, muss sie außerdem einen spürbaren Teil des Risikos in den eigenen Büchern behalten. Diese Regeln müssten allerdings weltweit gelten, sonst wandert das Geschäft dahin, wo es am wenigsten reguliert wird.
Focus: Wenn Sie eine Eigenkapitalquote von zehn Prozent verlangen, müssten die deutschen Banken beim Staat Schlange stehen. Denn viele weisen deutlich weniger auf.
Sarrazin: Die Briten und Amerikaner geben diesen sinnvollen Standard vor. Deshalb können sich deutsche Banken solchen Anforderungen nicht entziehen. Die zehn Prozent sind ein Muss. Das bedeutet: Deutlich mehr Banken als bisher bekannt werden beim Staat Kapital aufnehmen müssen.
Focus: Ist es ein Fehler, den Banken die Entscheidung freizustellen?
Sarrazin: Ja. Weil es damit für die Bank zu einer Prestigefrage wird, das Geld zu nehmen. Es ist aber auch eine Überlebensfrage. Wer das Geld nimmt, wird am Markt sofort mit Misstrauen abgestraft. In Amerika und England hat man das besser gelöst. Dort mussten die Banken das Geld nehmen.
Focus: Den deutschen Bankern würde die Entscheidung vielleicht leichter fallen, wenn sie nicht mit Gehaltskürzungen und Einmischung des Staates in ihre Geschäftspolitik rechnen müssten.
Sarrazin: Die Wut unter der Bevölkerung ist nicht nur in den USA quer durch alle politischen Lager groß. Deshalb muss man das staatliche Rettungspaket ein bisschen populistisch abfedern. Obergrenzen für Vorstandsgehälter bringen in der Sache nichts. Sie erhöhen aber die Akzeptanz für die Hilfsaktion in der Bevölkerung.
Focus: Wann werden wir wissen, wie viel die Rettungsaktion die Steuerzahler kostet?
Sarrazin: In den nächsten ein bis zwei Jahren wird der Anteil des Staates an den Banken hierzulande auf 30 bis 35 Prozent steigen. Verkaufen kann der Staat diese Beteiligungen erst, wenn sich die Banken spürbar von der Krise erholt haben und wieder Gewinne machen. Die Platzierung dieser Anteile, die der Staat jetzt übernimmt, wird kaum vor 2013 möglich sein und muss marktverträglich erfolgen. Erst muss die gegenwärtige Rezession vorbeigehen, und die Bankgewinne müssen wieder aufblühen. Der Staat wird also eine Weile Aktionär bleiben müssen, weil niemand so schnell wieder in Bankaktien investieren will. Außer vielleicht Staatsfonds, an die man wiederum nicht verkaufen will.
Focus: Wie lange kann sich der Westen seine Vorbehalte gegenüber den Staatsfonds aus Nah- oder Fernost noch leisten?
Sarrazin: Ich weise auf das Risiko hin. Die meisten Staatsfonds sind nicht in der Hand demokratisch legitimierter Regierungen. Sie werden auch für politische Zwecke eingesetzt.
Focus: Könnte sich der Westen verheben, wenn er die eigene Rettung allein versucht und die Staatsverschuldung irrwitzig steigt?
Sarrazin: Wenn der Staat mit den vorhandenen Instrumenten die Finanzmarktkrise abwendet, wird ihn die ganze Operation unter dem Strich wenig bis gar nichts kosten. Wenn man aber wie in Frankreich sein Heil in der dauerhaften Reverstaatlichung sucht, dann wird das ein Rückmarsch in die 50er-Jahre. Nur weil Teile der privaten Wirtschaft versagt haben, sind die Repräsentanten des Staates ja nicht über Nacht kompetenter geworden. Der Staat ist nur das letzte Mittel. Hinter ihm beginnt das Chaos.
Focus: Was bedeutet die drohende Rezession für die öffentlichen Haushalte?
Sarrazin: Für die der Länder kurzfristig noch gar nichts. Konjunkturprogramme sind wenn dann Sache des Bundes. Er muss sie deshalb auch allein bezahlen. " (Focus 1.11.08)
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Thilo Sarrazin, 63, saniert Berlins Schuldenhaushalt. Der promovierte Volkswirt verantwortete 1990 im Bundesfinanzministerium die Durchführung der deutsch-deutschen Währungsunion. Als Finanzsenator im Berliner rot-roten Senat setzt er seit 2002 in der mit 60 Milliarden Euro verschuldeten Bundeshauptstadt einen rigiden Sparkurs durch. Er wechselt demnächst zur Bundesbank.
- - So kann man es sehen. Wenn die Aufsichtsräte, die Wirtschaftsprüfer, die staatliche Bankenaufsicht, die Rating-Agenturen die Probleme nicht gesehen haben, nicht in der angemessenen Dimension, dann stellt sich eben die Frage, ob man es überhaupt voraussehen konnte. Ich denke, man konnte es in der Masse nicht. Individuell konnte man alarmiert sein, wenn man die Praxis der freien Kreditvermittler in Kalifornien, in Florida kannte, wenn man wußte, wie die Fannies damit umgingen, aber daß sich ein vergleichsweise kleines Problem so auswirken würde, das war offenbar nicht vorhersehbar. Diese Massenreaktion mußte ja auch nicht erfolgen, sie ist nichts anderes als die altbekannte Reaktion der Herde, in diesem Fall einer riesigen, weltweiten Buchgeld-Herde. Die Verunsicherung dauert an, auch, weil man die Maßnahmen der Fed und der Regierung Obama für falsch halten kann (Zerstörung der Geld- und Fiskalpolitik vgl. "Nur Ölaktien und die Börsen der Schwellenländer drängen sich auf
Jens Ehrhardt hält Staatsanleihen für zu teuer. hbe. FRANKFURT, 5. Juni 09. Viele Gewissheiten scheinen sich in den Turbulenzen einer in dieser Form nie dagewesenen Krise aufzulösen und lassen ... Was wir derzeit sehen, ist einmalig, das hat keiner von uns so schon jemals erlebt ... ")
- - Übrigens hat der Dax seit Jahresbeginn 35% zugelegt.

- - "Die vertrackte Psychologie des Subprime-Debakels. Um die Beantwortung der Frage, was die wichtigsten Ursachen der Finanzkrise sind, herrscht schon seit einiger Zeit ein intellektueller Wettlauf. Jüngst haben mit George Akerlof und Robert Shiller zwei Schwergewichte der Wirtschaftswissenschaften argumentiert, dass die Psychologie der Menschen eine bisher weit unterschätzte Rolle gespielt habe. So seien gerade im US-Subprime-Markt viele Entscheidungen nicht so vernünftig gefallen, wie es Ökonomen meist annehmen. Im Gegenteil: Millionen von Subprime-Schuldnern hätten sich Hypotheken aufschwatzen lassen, die sie sich längerfristig niemals leisten konnten. Berüchtigt waren vor allem die «adjustable-rate mortgages», die häufig am Anfang tiefe Lockvogel-Zinsen boten, über die Zeit aber für viele zu teuer wurden. Doch die Psychologie des Subprime-Debakels ist etwas komplizierter, wie Nachforschungen von Stephan Meier (Columbia University) und Lorenz Götte (Universität Genf) ergeben haben. In einer Umfrage ermittelten sie, wie gut sich US-Hausbesitzer in Finanzdingen auskannten. Es zeigte sich, dass Personen mit niedrigem Finanzwissen nicht häufiger «adjustable-rate mortgages» erhielten als die in finanziellen Dingen besser Beschlagenen. Es scheint also nicht so zu sein, dass vor allem den «Dummen» Hypotheken angedreht wurden. Doch gleichzeitig zeigte sich auch, dass die Finanz-Unkundigen meist gar nicht wussten, dass sie wohl auf einer Problem-Hypothek sassen. Die möglichen psychologischen Ursachen der Subprime-Krise scheinen demnach einiges komplexer zu sein, als sich manche das vorstellen." NZZ 6.6.09

- Bestimmte Tonfolgen scheinen einen direkten Aschluß an das Belohnungs- / Limbische System zu besitzen

Sonntag, 14. Juni 2009

Finanzkrise, Aristoteles, Platon, Hayek



So schön war es heute nur zwischendurch, aber schwüle 15-20°C

- Finanzkrise ideologisch: "Im Brennpunkt sozialer Verantwortung
Die Finanzkrise im Spiegel der Soziallehre Johannes Pauls II." . Jetzt ist die Finanzkrise im Katholischen unterwegs, die Tagung Thomas-Morus-Akademie kommt ohne einen Ökonomen aus, die avisierten Philosophen haben also schon alles verstanden. Da hat wohl der Hl. Geist geholfen. "Wie wird durch sie die soziale Gerechtigkeit konkret?" ist eine der akuten Fragen.
- - ' Deswegen sagen die Dichter: " Es ist wohlbegründet, daß Helenen über Barbaren herrschen", da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist. ' Auch eine Sicht sozialer Gerechtigkeit, die Aristoteles da in seinem 1. Buch der Politik äußert.
- - " Jedesmal, wenn uns ein Kind geboren wird, nehmen es die hierzu bestellten Behörden in Empfang. ... Die Kinder der tüchtigen Eltern werden sie dann nehmen und in die Anstalt bringen ... Die Kinder der untüchtigen Eltern und etwaige verkrüppelte Kinder der tüchtigen werden sie an einen geheimen und unbekannten Ort bringen. So ziemt es sich.' " So ziemt es sich, so ist es also gerecht im Staate Platons (Politeia, 5. Buch IX, S. 164)
- - "Die völlige Inhaltslosigkeit des Begriffs »soziale Gerechtigkeit« zeigt sich an der Tatsache, daß es keine Übereinstimmung darüber gibt, was soziale Gerechtigkeit im Einzelfall erfordert; daß ferner keine Kriterien bekannt sind, nach denen entschieden werden könnte, wer recht hat, wenn die Leute verschiedener Ansicht sind, und daß kein im voraus ausgedachtes Verteilungssystem auf eine Gesellschaft tatsächlich angewendet werden könnte, in der die einzelnen in dem Sinne frei sind, daß sie ihr eigenes Wissen für ihre eigenen Zwecke nutzen dürfen. Die moralische Verantwortung des einzelnen für seine eigenen Handlungen ist in der Tat mit der Realisierung eines solchen angestrebten, allumfassenden Verteilungssystems nicht vereinbar.
Obwohl viele Leute mit dem derzeitigen System der Verteilung unzufrieden sind, hat niemand von ihnen, wie eine kleine Nachprüfung zeigen würde, eine wirklich klare Vorstellung davon, welches System der Verteilung als gerecht anzusehen wäre. Alles, was wir finden können, sind individuelle Urteile über als ungerecht empfundne Einzelfälle. Niemand hat bis jetzt eine einzige allgemeine Regel herausgefunden, aus der wir für alle Einzelfälle, auf die sie anzuwenden wäre, ableiten könnten, was »sozial gerecht« ist – ausgenommen die Regel »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Freier Wettbewerb, der jegliche Berücksichtigung von »Verdienst« oder »Bedürfnis« und ähnlichem ausschließt, worauf die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit beruht, tendiert dazu diese Regel zu erzwingen. ... " Friedrich August v. Hayek, Der Atavismus »sozialer Gerechtigkeit«, in: Hayek, Die Anmaßung von Wissen, Neue Freiburger Studien, hg. von Wolfgang Kerber, S. 182-85, Mohr/Siebeck 1996